Warum es sinnvoll ist zu erkennen, wann man überfordert ist und warum es ein Zeichen von Stärke ist, die Überforderung zu melden. Warum das Melden sehr positiv und nicht negativ ist.
Sie spüren es: Der Druck kommt von irgendwoher und nimmt zu. Sie werden allmählich gereizt, bekommen vielleicht Magenschmerzen oder Kopfschmerzen.
Jetzt ist der Zeitpunkt, dass etwas passieren muss:
- Sie müssen sich eingestehen, dass Sie überfordert sind UND
- Sie müssen es (Ihrem Chef oder der Familie) melden.
Was passiert, wenn Sie es nicht melden?
- Ihnen geht es weiterhin schlecht.
- Vielleicht werden Sie krank (davon hat niemand etwas).
- Dauerhaft droht ein Burn-Out.
- Sie liefern ein schlechtes Ergebnis ab und blamieren sich oder enttäuschen andere (den Chef oder die Familie).
- Es können Termine nicht gehalten werden, andere Abteilungen kommen auch in den Verzug – eine ganze Linie von Dominosteinen könnte fallen.
- Der Chef/die Familie weiß es nicht, kann nicht reagieren!
Was passiert, wenn Sie sich melden?
- Sie bekommen Hilfe.
- Es geht Ihnen besser.
- Sie haben die Verantwortung abgegeben – an den Chef.
- Ein Schaden kann abgewendet werden.
- Sie werden nicht mehr so häufig krank.
Warum melden Sie sich (üblicherweise) nicht?
- Sie haben Angst, dass Sie als unfähig gelten.
- Sie haben Angst, dass Sie als unmotiviert gelten.
- Sie haben Angst, dass Sie ausgelacht werden.
- Sie haben Angst, dass Sie Respekt verlieren.
- Sie haben Angst, …
Wenn Sie überfordert sind, dann weiß das außer Ihnen niemand. Niemand. Keiner kann in Sie hineinsehen. Die Familie vielleicht, der Chef mit Sicherheit nicht. Warum sind Sie überfordert? Warum kann man überfordert sein?
Denkbare Ursachen (denkbar ist alles):
- Ihnen fehlt Wissen.
- Ihnen fehlt Erfahrung.
- Ihnen fehlt Zeit.
- Ihnen fehlt Information.
- Ihnen fehlt Material/Hilfsmittel/Werkzeug.
- Ihnen fehlt Hilfe.
- Sie sind emotional überfordert.
- Sie sind schlecht organisiert.
- Sie sind nicht motiviert.
- …
Gehen Sie davon aus, dass Ihr Chef oder Ihre Familie Sie nicht überfordern will. Und jeder will, dass verteilte Aufgaben korrekt erledigt werden – jeder geht erst einmal davon aus.
Eines können Sie mir glauben – als Chef und als Familienvater – ich bin auch ständig überfordert. Aber ich gebe es zu und stelle mich der Situation. Als Chef muss ich Probleme lösen, die ich noch nie gelöst habe. Ich muss Entscheidungen fällen, für die mir relevante Informationen fehlen. Ich muss planen, ohne in die Zukunft blicken zu können. Ich bin überfordert, wenn drei Kinder gleichzeitig auf mich einreden und wenn ich den ganzen Tag Fragen beantworten muss, deren Antworten selbst ich nicht kenne – ich lebe mit der Überforderung, glauben Sie mir das.
Überfordert – als Chef und als Vater.
Aber … ich leide nicht darunter. Ich nehme es zur Kenntnis und reagiere. Ich gebe es zu. Ich sage meiner Familie und auch meinen Mitarbeitern, wenn es mal wieder so weit ist. Und dann können sich alle darauf einstellen. Sie können mich verstehen. Als Chef oder Vater ist das einmal mehr wichtig, weil der Mitarbeiter/Kollege oder das Kind die eine oder andere Bemerkung nicht persönlich nimmt, sondern auf den Überforderungszustand zurückführt – das erstpart Eskalationen und vermeidet weiteren Stress.
Damit will ich sagen: Anderen geht es ebenso wie Ihnen.
Aber nur einer weiß, wie es um Sie steht – Sie. Also können nur Sie sagen, dass Sie überfordert sind.
Da der Umgang mit Überforderung für jeden ein Problem ist, können Sie davon ausgehen, dass Sie eher Respekt als Gelächter ernten, wenn Sie sich outen.
Probieren Sie es aus. Gestehen Sie sich selbst ein, dass Sie überfordert sind, teilen Sie sich mit und fragen Sie nach Hilfe. Analysieren Sie vorher, worin das Problem besteht und besprechen Sie die Problemursache sachlich und konstruktiv.
Sie werden sich gleich besser fühlen.
Eines noch: Gestehen Sie auch anderen zu, überfordert zu sein, auch Ihrem Chef, Ihrem Vater oder Ihrer Mutter!
Man kann sich daran gewöhnen, überfordert zu sein – in manchen Lebensphasen hat man wenig Einfluss darauf. Man kann aber auch beständig versuchen, eine Überforderung zu vermeiden. Dafür gibt es zwei Ansätze:
1. Man optimiert die Leistung (Effizienz oder Effektivität erhöhen).
2. Man reduziert seine Ziele/seinen Anspruch (das fällt schwer!)
Wenn man die Überforderung vermeiden möchte, dann sollte man sich gut im Auge behalten. Dafür ist das “Führen eines Tagebuches”(#0015) und der “Persönliche Jahresabschluß” (#0049) sehr hilfreich. Auch eine Selbstanalyse seines Ärgepotentials ist hilfreich “Ärger-Reduktions-Programm” (#0017).
Der Umgang mit sich und seinen Grenzen ist ein wichtiger Baustein der Persönlichkeitsentwicklung. Ein Konzept der systematischen Persönlichkeitsentwicklung finden Sie in meinem Buch: Das ICH-Management.
Wieder mal ein interessanter Beitrag, und ich gebe Dir recht, dass es wichtig ist, Warnzeichen zu erkennnen, diese als solche wahrzunehmen und entsprechend zu kommunizieren, um dann nach Auswegen aus der Krise zu suchen.
Dies setzt zum einen die Fähigkeit der Selbstreflexion in einer immer schneller und hektischer werdenden Zeit mit kürzeren Takten voraus und andererseits auch den Mut, sich anderen gegenüber zu öffnen.
Allerdings kommt mir in Deinem Artikel die Bedeutung der Fremdperspektive zu kurz, und ich stimme der Aussage, dass nur ich weiß, wie es um mich steht, nur bedingt zu. Wenn ich es wüsste, könnte ich rechtzeitig reagieren und Änderungen einleiten, sodass es nicht zur Krise kommt.
Ich denke, dass es wichtig ist, die Meinungen und Wahrnehmungen des Umfelds ernst zu nehmen und auch ruhig einzufordern. Oftmals steckt man schon dermaßen tief in der sich schneller drehenden Spirale, dass man überhaupt keine Möglichkeit mehr hat aktiv zu reagieren. Außerdem hat das engere familiäre, freundschaftliche und berufliche Umfeld häufig eine schärfere Wahrnehmung als wir vermuten. Meine Kinder überraschen mich diesebezüglich regelmäßig 🙂
Wenn die Ist-Situation erkannt ist, halte ich es für sinnvoll, die Option der fremden, professionellen Hilfe einzubeziehen, da die Fähigkeit zur Selbsthilfe meiner Meining nach oft überschätzt wird. In dem Zusammenhang finde ich es interessant, dass die Flut der zum Teil obskuren “Jetzt helfe ich mir selbst”- Literatur und Hilfsmittel stetig zu nimmt. Warum? Ich vermute, weil es einerseits nicht die einzig wahre Lösungsstrategie zu geben scheint und zum anderen weil der Bedarf nach Hilfe zu steigen scheint.
Nachdem die Krise erkannt ist, Lösungsstrategien entwickelt wurden, kann das Umfeld durch Feedback (positive wie negativ) und Bestärkung einen großen Beitrag dazu leisten, sich aus dem Sumpf heraus zu ziehen.
Lieber Herr Büttner,
in der Tat: ein interessanter Beitrag. Die empfohlenen Selbstführungshinweise (Tagebuch, Ärgerreduktion) finde ich schon einmal einen pragmatischen ersten Schritt.
Viele von uns brauchen vielleicht dauerhaft noch etwas mehr, um nicht mit Tipps und Tricks zu neuen Wegen sondern wirklich zu persönlichen Strategien zu finden.
Arno Gruen – Der Verrat am Selbst – ist eine gute Quelle, um für sich herauszufinden, ob der eigene Leistungsdruck wirklich aus uns heraus entsteht oder vorrangig aus der Konditionierung im Außen entwickelt wurde. Wer das allmählich unterscheiden lernt, findet ein reicheres Leben.
Arno Gruen ist kein Motivationsexperte und auch kein Selbstführungspapst. Vielmehr beschreibt er in seinem Buch, wie wir Menschen bereits in unseren ersten Lebenstagen unseren eigenen Willen verlernen und verlieren.
Der eigene Wille – durch unsere Eltern und unsere Umwelt ersetzt von Leistungsstreben und aufgedrückten Erfolgskonzepten – ist dann doch wohl das wichtigste “Organ” neben unserem Körper.
Mit ihm gelingt langsam ein neuer Umgang mit uns selbst.
Hallo Petra, ich finde Ihren Beitrag sehr gut.
Leiden wir nicht oft von Kindheit an unter Erfolgszwang? Wenn wir uns davon nicht rechtzeitg lösen, bekommen wir einen krummen Rücken, der irgendwann zusammenbrincht, weil die Last unerträglich wird. Sicherlich ist es unerläßlich, daß wir rechtzeitig “auf die Spur” gebracht zu werden, die das Lebenvon uns verlangt, sonst sind wir nicht belastbar und geben beim ersten Druck schon auf. Aber alles, was wir gern tun wollen, wird auch bewältigt ohne unter Druck zu geraten. “Sage nie ich muß, sondern sage lieber ich will und was du mußt wird leichtes Spiel!!!”
Lieber Herr Büttner, vor längerer Zeit las ich in einer Zeitschrift einen interessanten Artikel:”Ich habe gelernt, NEIN zu sagen”.
Es ist wahr, daß es nicht immer leicht ist, NEIN zu sagen, aber dafür sehr wichtig.
Wenn man immer nur da ist und immer Aufgaben übernimmt, obwohl man längst an seine persönlichen Grenzen stößt, wird einem immer mehr aufgebürdet…Irgendwann kommt der Tag, an dem man einfach nicht mehr kann….Die Umwelt erkennt das absichtlich nicht an, denn der /die konnte doch immer alle Aufgaben übernehmen, warum denn auf einmal nicht??? Ganz schnell gerät man dann in Vergessenheit und verliert an Wert von 100% auf NULL….
Es ist sehr wichtig, daß man sich seine Grenzen eingesteht und damit seine Überforderung erkannt hat.
“Willst das Große du erreichen, fange mit dem Kleinen an. Deine Tadler werden schweigen, ist das Kleine groß getan”
Damit will ich sagen, daß man nicht nach den Sternen unbedingt greifen sollte, denn man erreicht sie sowieso nicht und vergeudet unnütz Kräfte, die sinnvoller für das Machbare eingesetzt würden.
Oft wollen sich Menschen nur sich selbst beweisen und ernten, wenn es nicht gelingt, nur ein beiläufiges Lächeln der Mitmenschen. Also heißt es wieder:”Grenzen erkennen!!!!”
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